Die Richtsbergschule in Marburg ist in aller Munde durch ihren progressiven Ansatz, Bildung & Lernen neu zu gestalten. Wir durften die Schule im Rahmen einer Hospitation am 18. November kennenlernen. Spoiler: Es war extrem inspirierend und ein Beispiel dafür, wie Schule & Potenzialentfaltung in Zukunft aussehen könnten.

Von außen ein typischer Bau aus den 70er-Jahren, hat die Schule innen nur ganz wenig Typisches. Die Richtsbergschule hat Architektur, das Lernen selbst, das Verständnis von Rollen, Inhalte und Partizipation neu gedacht. Klassen, Klassenräume und Klassenarbeiten durch Lerngruppen und Lernorte ersetzt. Frontalunterricht, 45-Minuten-Takt, Noten und Hausaufgaben sind eigenverantwortlichem Lernen und digitalen Tools zur individuellen Arbeit gewichen. Lehrkräfte sind zu Lernbegleitern und Coaches geworden. Das Besondere: Man versteht Transformation sehr ganzheitlich und konsequent, die Veränderung ist in jedem kleinen Detail, Prozess und in jeder Handlung aller Beteiligten sichtbar. Es ist schwer, das Erlebte alles in Worte zu fassen – aber folgende Aspekte waren besonders eindrücklich:

  • Die Selbstverständlichkeit und Souveränität, mit der uns zwei junge Schülerinnen durch die Hospitation begleitet und einen Schulrundgang moderiert haben.
  • Die Ruhe in der Schule. Ohne den Ablauf aus Unterricht und Pause muss niemand durch die Schule stürmen, keine Klingel schreit und alle halten sich an dem Ort auf, an dem sie sich passend zu ihren Bedarf wohlfühlen. Überall war es angenehm warm, viele Bereich dürfen nur mit Hausschuhen betreten werden.
  • Es wird mit multiprofessionellen Teams gearbeitet. Erwachsene sind Lernbegleiter und sehen die jungen Menschen eben nicht nur aus der pädagogischen Perspektive. Zudem haben sehr viele Lehrkräfte eine zusätzliche Ausbildung als Coach.
  • Die verschiedenen Räume entsprechen dem, was auch in der Unternehmenswelt seit Jahren passiert. Es gibt keine Büros mehr mit langen Flure, sondern Free-Flow-Flächen mit variablen Nutzungsmöglichkeiten und Rückzugsoptionen. Teamarbeit und Eigenverantwortung stehen im Vordergrund.
  • Was in der Forschung längt klar ist, wurde hier umgesetzt: Es gibt keinen Frontalunterricht mehr. Keine starre Wissensvermittlung mehr, deren Erfolg durch Auswendiglernen und Klausuren abgefragt wird. Jeder lernt in seinem Tempo, auf seine Art, mit seinem Methoden.

Wir können jede Menge Ideen und Inspiration aus Marburg mitnehmen. Für unsere eigenen Formate und für unsere Arbeit als Schulentwicklung. Und wir nehmen auch mit, dass Veränderung und Transformation ein Prozess sind. Ein ständiges sich Hinterfragen, Ausprobieren, Scheitern, neu denken. Wer radikal neu denkt, beschreitet neue Wege und hatte kaum Vorbilder. Alle müssen das wollen, alle müssen die Anstrengung auf dem Weg in Kauf nehmen. Für eine Vision.

Hier einige Eindrücke aus dem Rundgang. Die Schule ist geprägt von Orten voller Behaglichkeit, Wärme, Treffpunkten, Rückzugsbereichen nach dem Konzept der Designerin Rosan Bosch.

Durch die Anfahrt aus Wiesbaden hat sich die Hospitation auch wie ein Roadtrip angefühlt. Schaut euch unser kleines Video dazu an!